Karl Fischl wurde 1871 als Sohn eines Hutmachers in Birkfeld in der Steiermark geboren. Nach dem Besuch der Staatsgewerbeschule in Graz belegte er in Wien ein Architekturstudium an der Akademie der bildenden Künste. Er studierte in der Meisterschule von Carl Hasenauer, ein weiteres Studium bei Otto Wagner wird zwar in diversen Quellen angegeben, ist jedoch laut den Unterlagen im Archiv der Akademie auszuschließen. Auch eine kolportierte Tätigkeit im Atelier von Otto Wagner und eine Beteiligung an den Stadtbahnpavillons Karlsplatz sind nicht nachweisbar.
Den ersten Auftrag erhielt Fischl im Jahr 1898 mit der Gestaltung des Raumes der „Heeresausrüstung“ auf der Wiener Jubiläumsausstellung in der Rotunde im Prater, Wien 2. Bereits mit dieser Arbeit erhielt Fischl große Anerkennung, und vor allem Ludwig Hevesi, der scharfzüngige Beobachter des zeitgenössischen Kunstgeschehens beschreibt den Ausstellungsraum in überschwänglichen Worten (L. Hevesi, 1906).
Fischl realisierte eine Reihe von Wohnbauten, vor allem Villen in Wien, für die er auch die Inneneinrichtungen schuf. Mit dem Bildhauer Julius Trautzl beteiligte er sich zudem an Wettbewerben für diverse Denkmäler, die teilweise auch prämiert wurden. Außerdem errichtete er Grabdenkmäler und schuf repräsentative Gedenktafeln, wie etwa die Gedenktafel mit einem von Julius Trautzl hergestellten Reliefporträt von Abt Alexander Karl am Rathaus in Melk. Darüber hinaus soll Fischl laut G.Pichler (AKL) auch einige Industriebauten außerhalb Wiens errichtet haben.
Wie für viele seiner Kollegen bedeutete der Ausbruch des Ersten Weltkriegs auch einen Bruch in Fischls erfolgreich begonnener Karriere. Aus der Zwischenkriegszeit ist nur eine Wohnhausanlage bekannt, die Fischl für die Gemeinde Wien errichtete (Wien 10, Triesterstraße 75-77, 1929).
Schwer erkrankt verbrachte Karl Fischl seine letzten Lebensjahre in seiner steirischen Heimat und starb mit 66 Jahren im Pflegezentrum der Barmherzigen Brüder in Kainbach bei Graz.
Das bekannteste Bauwerk von Karl Fischl ist das Wohnhaus in Wien 14, Penzinger Straße 40 (1901). Das schmale Gebäude zeigt wesentliche Elemente der Wagner-Schule, wie etwa die funktionale Gliederung, das vorkragende Dach sowie den ausgeklügelten Einsatz von keramischem bzw. metallischem Dekor in einer Authentizität, die wohl die Mythenbildung, Fischl sei Wagner-Schüler gewesen, beförderte. Auch der mittig gesetzte Erker, der in der Literatur oft als eigenständige Leistung gerühmt wird (z.B. Borsi/Godoli 1985), verweist auf die zahlreichen, in der Zeitschrift „Der Architekt“ publizierten Entwürfe von Wagner-Schülern.
Bei den Villenbauten behielt Fischl zwar den secessionistischen Jargon im Großen und Ganzen bei, fand aber nunmehr tatsächlich zu einer bemerkenswert eigenständigen Handschrift, obwohl jede Villa äußerst individuell gestaltet ist.
Die Villa in Piesting, Wöllersdorferstraße 7, NÖ (1902) etwa ist durch einen mehrfach gegliederten Baukörper, der unterschiedliche Dachformationen in sich vereint, malerisch aufgelockert. Ein Gebäudeblock erhielt ein Walmdach, ein anderer ein hohes Satteldach, das von einem Türmchen bekrönt wird. Obwohl Fischl das Gebäude mit modernem Dekor schmückte und mit schmalen, hohen Fenstern versah, wird durch die pittoreske Dachlandschaft der Eindruck gängiger Heimatstilvillen evoziert und die Villa auf diese Weise dem ländlichen Umfeld angepasst.
Bemerkenswert ist die Villa Wachtel in Wien 13, Winkelbreiten 6 (1913). Über einem hohen Putzsockel befinden sich zwei Stockwerke, die über die ganze Hausbreite Balkone mit Holzbrüstungen bzw. Holzsäulchen aufweist. In Verbindung mit senkrechten und horizontalen Holzbalken sowie dem holzvertäfelten Giebel des Satteldaches erhielt das Gebäude einen malerischen Habitus, der in dieser Art im Stadtbild Wiens höchst außergewöhnlich anmutet und eher in einem ländlichen Umfeld zu erwarten wäre. Das ungewöhnliche Erscheinungsbild wird durch reichliches, sehr eigenwilliges Dekor verstärkt: Kerbschnitzmotive, verschieden gestaltet Balkonstützen und hölzerne, geschnitzte Balkongeländer erinnern frappant an die „Nationalromantik“ der Wagner-Schüler, die aus den Kronländern kommend bei Wagner studierten und später – in ihre Heimat zurückgekehrt – mit Vorliebe nationale Formelemente in ihre Gestaltungskonzepte aufnahmen. Einzelne Details der Villa Wachtel erinnern deutlich an die Verfahrensweise Josef Plecniks, wie etwa die wie aus Kugeln zusammengesetzten Balkonstützen im ersten Geschoss. Tatsächlich kannten sich die beiden Architekten, und eine etwaige Beeinflussung ist nicht auszuschließen. Manieristisch indessen wirken in diesem Rahmen die zahlreichen, an der Fassade angenagelten Hufeisen, wodurch der Eindruck entsteht, dass Fischl den stark ländlichen Bezug dieser Villa dann doch wieder ironisierte.
So unterschiedlich die Villenbauten konzipiert sind, gibt es doch einige Elemente, die Fischl wiederholt verwendete, wie etwa das Fünfeck als Fensterumrahmung. Schon beim Wohnhaus in der Penzingerstraße 40 (1901) hat er Fünfecke um das den Erker bekrönende Fenster arrangiert. Bei der Villa in Piesting sind bei einigen Fenstern die oberen Teile in eine Fünfeckrahmung hineingesetzt. Bei der Villa Wachtel werden indessen die Dachfenster von einem Fünfeck umfangen. Immer wieder kehren auch Fensterumrahmungen aus Fliesen oder als Sgraffito wieder, die stets die gleichen wellenförmigen, ins Quadrat gesetzten Linien zeigen (Villa Wachtel; Villa Hanni, Wien 18, Dr. Heinrich Maier-Str. 35, 1909-1910).
Die Villa Wollek, Wien 13, Hackinger Hof 2 (1907, abgerissen) hingegen zeigte eine ganz andere Formensprache. Einerseits war sie fast dekorlos und schon im Sinne der späteren „Neuen Sachlichkeit“ konzipiert. Andererseits entwickelte Fischl hier ein Raumkonzept, bei dem die Fenster je nach Bedarf eingesetzt wurden, womit er wesentliche Elemente der Villen von Adolf Loos vorwegnahm. Auch die Wohnhausanlage für die Gemeinde Wien, Wien 10, Triesterstraße 75-77 (1929), das einzige heute bekannte Werk Fischls aus den Zwischenkriegsjahren, zeigt im Rahmen der im Gemeindebau üblichen Gestaltungsweise einen individuellen Ansatz. Wohl bedient sich Fischl der typischen Dreieckserker – aber durch die enge Aneinanderreihung verleiht er der Fassade eine außergewöhnliche Kompaktheit.
Karl Fischl entwarf nicht nur die Inneneinrichtungen seiner Villen, sondern stets auch die gesamte Innenausstattung wie Türen, Türklinken etc. Sein Schaffen zeigt in der außergewöhnlichen Verbindung von Elementen des Jugendstils mit modifizierten Heimatstilformen, der individuellen Verwendung der Materialien und dem hohen Formbewusstsein nicht nur eine bemerkenswerte Originalität, sondern spiegelt auch die offenkundig individualistischen architekturästhetischen Erwartungen seiner Auftraggeber wider, die derartige Realisierungen erst ermöglichten.